Auer: Land muss JETZT handeln!
Die Personalsituation in Vorarlbergs Kinder- und Jugendhilfe spitzt sich immer weiter zu. Seit Monaten werden Ausfälle von den Mitarbeiter:innen kompensiert, weil Stellen nicht rechtzeitig nachbesetzt werden, erklärt die geschäftsführende SPÖ-Klubobfrau Manuela Auer: „Die Mitarbeitenden sind am Anschlag. “
Aufgrund des außerordentlichen Arbeitseinsatzes des vorhandenen Personals sei es aktuell zwar noch möglich, den Dienst aufrechtzuerhalten, jedoch hätte das Leistungsangebot der Kinder- und Jugendhilfe zwischenzeitlich bereits drastisch zurückgefahren werden müssen, erklärt die SPÖ-Sozialsprecherin. „Gerade im so wichtigen Präventivbereich kann dann den Betroffenen das Angebot nicht mehr im vollen Umfang bereitgestellt werden. Dazu fehlt es schlicht und einfach am nötigen Personal“, so Auer. Dabei hätte sich die Entwicklung der Personalrückgänge schon seit längerem abgezeichnet, kritisiert die SPÖ-Landtagsabgeordnete: „Es wurde verabsäumt, Stellen rechtzeitig nachzubesetzen. “
Gefährlicher Zustand für Kinder und Familien
Nun hätten die multiplen Krisen der jüngsten Vergangenheit besonders bei Kindern und Jugendlichen zu einer Zunahme von psychischen Problemen geführt, betont Auer. „Viele Kinder und Jugendliche wurden von Corona aus der Bahn geworfen und haben während dieser Zeit Angststörungen, Essstörungen oder auch Depressionen entwickelt. Die Betroffenen und deren Familien sind auf eine gut aufgestellte Kinder- und Jugendhilfe angewiesen “, erklärt die SPÖ-Sozialsprecherin. In Anbetracht der vielfachen Problemfelder, mit denen Kinder und Jugendliche aktuell konfrontiert sind, sei es daher unverständlich, dass hier von Seiten der Landesregierung nicht das notwendige Augenmerk daraufgelegt wird. „Die Aussage von Landesrätin Wiesflecker, dass der Kinderschutz immer oberste Priorität habe, kann ich angesichts der aktuell herrschenden Umstände in der Kinder- und Jugendhilfe nicht unterschreiben“, so Auer. Vielmehr gefährde der derzeitige Zustand Kinder und Familien, kritisiert die SPÖ-Sozialsprecherin.
Wenn man nicht anfange, hier endlich entgegenzusteuern, dann wandere der Fokus im Kinderschutz wieder von präventiven Maßnahmen hin zu Interventionen. „Das ist jedoch der falsche Weg. Das Ziel ist ganz klar, Risiken und Gefahren vorzubeugen und nicht erst dann einzugreifen, wenn der Schaden schon passiert ist“, kritisiert die SPÖ-Landtagsabgeordnete. Diese Entwicklung müsse unbedingt verhindert werden. „Es darf in der Kinder- und Jugendhilfe keinen Rückschritt geben. Diese Lehre sollten wir alle aus dem Fall Cain gezogen haben. So etwas darf sich auf keinen Fall wiederholen“, betont Auer.
Fall Cain führte zu Umdenken beim Kinderschutz
Im Jänner 2011 wurde der dreijährige Cain von seinem Stiefvater zu Tode geprügelt. Der Fall erreichte aufgrund seiner Brutalität über die Grenzen Vorarlbergs hinaus traurige Berühmtheit. Die Jugendwohlfahrt war damals starker Kritik ausgesetzt. Ein Kritikpunkt dabei lautete, dass es zu wenig Personal gibt. Auch der Landesrechnungshof ortete seinerzeit einen spürbaren Entwicklungsschub im Bereich der Kinder- und Jugendwohlfahrt. Eine Umstrukturierung des Kinderschutzes samt Ausbau der Präventionsarbeit folgten. „Damals gab es das eindeutige politische Bekenntnis, dass derartiges wie im Fall Cain nie wieder geschehen darf und die Jugendwohlfahrt mit den entsprechenden Möglichkeiten und vor allem auch dem nötigen Personal ausgestattet sein soll“, hält Auer fest.
Einsparungen zu Lasten der Kinder und Familien
Von dem damaligen politischen Willen, den Kinderschutz auszubauen und zu verbessern, sei aber nach mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr viel übrig, kritisiert Auer. „Aktuell ist man dabei, die Kinder- und Jugendhilfe gegen die Wand zu fahren“, so die SPÖ-Sozialsprecherin. Denn aufgrund der Arbeitsüberlastung der Mitarbeiter:innen kann nicht nur keine ausreichende Präventionsarbeit geleistet werden, sondern sind auch Fehler bei der Fallbearbeitung nicht auszuschließen, erklärt Auer. „Der personelle Missstand geht so schlussendlich immer zu Lasten der Kinder und Jugendlichen und deren Familien“, kritisiert die SPÖ-Landtagsabgeordnete.
Etwaige Einsparungsmaßnahmen dürften beim Thema Kinderschutz keinen Platz haben, betont Auer. Umso beschämender sei es, dass die Stelle des Sozialarbeiters im neuen Gehaltssystem der Vorarlberger Landesverwaltung seit 2020 um vier und mehr (!) Gehaltsklassen herabgestuft wurde. „Das geht gar nicht. So sorgt man sogar dafür, dass noch mehr Personal verloren geht, anstatt neue qualifizierte Mitarbeiter:innen zu gewinnen“, erklärt die SPÖ-Landtagsabgeordnete.
Evaluierungsbericht liefert ernüchterndes Bild
„Um die Situation für die Mitarbeitenden zu verbessern, braucht es umgehend Maßnahmen“, betont Auer. Das habe auch der erst Anfang dieses Jahres präsentierte Evaluierungsbericht der ÖIF der Universität Wien deutlich gezeigt, erklärt die SPÖ-Landtagsabgeordnete.
Darin stellen ein Fünftel, also fast 20 Prozent der Mitarbeitenden der KJH in der aktuellen Form ein schlechtes Zeugnis aus. Kritisiert wird etwa, dass präventive Arbeitsansätze zu kurz kommen sowie zu starker Fokus auf den Risikobereich des Kindesschutzes, also der konkreten Gefährdung gelegt würden. Zudem sei der rechtliche Rahmen für präventive Arbeitsansätze zu eng gesteckt. Generell wird der Grundsatz der Prävention, also der frühzeitigen Hilfe, von den Fachkräften mehrheitlich als (eher) nicht umgesetzt bewertet (58,7 %), heißt es in dem Evaluierungsbericht.
Auch die knappen zeitliche, personellen und finanziellen Mittel wurden von den Mitarbeitenden beanstandet. Ein Ausbau dieser Ressourcen sowie die Erweiterung und Förderung der grundsätzlichen Qualifikationen des eingesetzten Personal werden daher gewünscht.
In dem Evaluierungsbericht wird zudem auch erwähnt, dass die befragten Fachkräfte ein (sehr) hohes Ausmaß der eigenen beruflichen Auslastung angaben. Dies Spiegel sich auch in den hohen, bearbeitenden Fallzahlen wieder: 65 Gefährdungsabklärungen hat ein fallführender Sozialarbeiter in Vorarlberg in den letzten 12 Monaten bearbeitet. Zum Vergleich: Der Österreich-Durchschnitt liegt hier bei 34 Fällen.
Kritik kam auch von Seiten des Jugendanwaltes. In seinem jüngsten Bericht bemängelte er, dass die Kernleistungen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe seit Dezember 2022 nicht mehr vollumfänglich erbracht werden könnten. In Einzelfällen könne sogar eine Kindeswohlgefährdung nicht ausgeschlossen werden.
„All diese Fakten liegen dem Land vor. Die Mitarbeiter:innen haben offen und ehrlich zugegeben, dass es ohne einen personellen Ausbau nicht weitergehen kann. Kritik zur aktuellen Situation in der Kinder-und Jugendhilfe wurde mehrfach geäußert und trotzdem passiert nichts“, so Auer. Hier liege ein Totalversäumnis der Landesregierung vor, betont die SPÖ-Sozialsprecherin.
Land muss JETZT handeln!
Die Verantwortlichen im Land müssten endlich die Augen öffnen und erkennen: Vorarlbergs Kinder- und Jugendhilfe ist am Limit!
„Die Landeregierung muss sofort handeln und darf nicht länger zuwarten“, fordert die SPÖ-Landtagssprecherin daher. Das Personal bei der Kinder- und Jugendhilfe in den Bezirkshauptmannschaften müsse umgehend aufgestockt werden, so Auer. „Auch die Bezahlung muss wieder auf ein entsprechendes Niveau angehoben werden“, fordert die SPÖ-Landtagsabgeordnete weiter. „Wenn hier nicht augenblicklich Maßnahmen gesetzt werden, ist nicht auszuschließen, dass es erneut einen Fall Cain geben kann“, mahnt Auer abschließend ein.